Monochrome

Bei den beiden großen Installationen, die sich in ihrer formalen Struktur und Zuordnung genau entsprechen, handelt es sich um eine jeweils siebenteilige Konstellation in der Anmutung eines Flügelaltars mit vorgelagertem Element, das der Predella entspricht, dem oftmals kunstvoll gestalteten Unterbau eines Altars. Um eine Vorstellung von der Größe der Installationen zu gewinnen, sei angemerkt, dass sie mit ihren vier hoch-rechteckigen Farbfeldern etwa 320x130 cm misst. Hinzu treten die zentral vor den Tafeln angeordneten grauen zweiteiligen Holzkisten im Format etwa von 180x47x47 cm. Sie enthalten die zugehörigen Wortbilder, die sich in einem Fall leicht in den Raum verstreuen. Aus der Hauptachse gerückt findet sich schließlich eine große, quadratische Farbtafel in Gelb, gelehnt an die Predella, die sie und den linken Altarflügel teilweise überschneidet und überdeckt. Die beiden Installationen kontrastieren bei aller sonstigen Strukturgleichheit in ihren monochromen Farbtafeln entschieden, etwa im zentralen Weiß bzw. Schwarz oder auch in den Flügeln mit ihrem leichten Blau versus Caput mortuum.

Die in der Folge entstandenen großen, monochromen Farbtafeln verleugnen nicht ihre Herkunft aus der gesehenen und empfundenen Landschaft im ehemaligen Lager Bergen-Belsen. Aber in ihrer Reduzierung auf je einen gebrochenen Farbton, der seinerseits Spuren einer haptischen Struktur trägt und dem ganzen Farbkörper eine spürbare Unruhe verleiht, abstrahieren die Tafeln von einer bloßen landschaftlichen Impression. Ihre strikte Einordnung in ein formales Altargefüge transponiert sie zudem in einen möglichen Deutungsrahmen, der das Naturschöne nur noch als ferne Erinnerung zulässt. Ein weiteres tritt hinzu: Die achsengenau einander zugewandten, aber zugleich auf Distanz montierten Tafeln kontrastieren, wie erwähnt, nicht nur in ihrer Farbigkeit, sondern scheinen sich auch gegenseitig zu negieren, so als ginge das eine im anderen unter. Das Altargefüge selbst, so stabil sein Muster zunächst erscheint, erweist sich im näheren Hinsehen selbst als angegriffen. Auffällig ist in diesem Zusammenhang zunächst das aus der symmetrischen Ordnung der Farbtafeln in Format und Anordnung herausfallende große, gelbe Farbquadrat, das keinen festen Ort zu haben scheint und wie zufällig an der Predella lehnt, labil ohne festen Platz. Die Predella ihrerseits hat im Verhältnis zu den Altartafeln keine tragende Funktion, erfüllt diese Aufgabe allenfalls visuell. Sie gliedert sich in einen kleineren Kopf- und einen größeren Rumpfteil und verletzt so, obwohl etwas verborgen, auch die achsensymmetrische Ordnung des Altargefüges. Die Predella linker Hand vom Eingang ist geöffnet und streut ungeordnet einige der in ihr enthaltenen Wortbilder in den Raum während das Pendant der Gegenseite geschlossen bleibt. In diesen offensichtlichen, zum Teil auch subtilen Störungen des traditionellen Altarmusters deuten sich Elemente der Dekonstruktion an, ohne sie dramatisch in Szene zu setzen.

(Lühr Grolle, aus; „Nur das Wort noch“/Annäherung an einen entlegenen Ort)

Abbildung aus Katalogbroschüre "Bergen-Belsen Altar I"

monochrome Farbfelder, Ölfarbe auf Leinwand, mit zwei Holzkästen ("Predella"), die 75 WortBilder beinhalten, 2013

Abbildung aus Katalogbroschüre "Bergen-Belsen Altar II"

monochrome Farbfelder, Ölfarbe auf Leinwand, mit zwei Holzkästen ("Predella"), die 75 WortBilder beinhalten, 2013